Stromschnellen in Monschau

Forellchen zum Saisonstart

Es ging wieder ans Wasser. Nach ca fünfeinhalb Monaten Pause feierten mein Kumpel Stephen und ich den Saisonstart an der Rur in Nordrhein-Westfalen, genauer in Monschau an der deutsch-belgischen Grenze. Vorab sei gesagt, dass ich mich bei der Wahl der Startlocation des „Anfischens“ gern auf die Empfehlungen und Vorschläge meines Kumpels verlassen habe. Und nicht nur auf die Streckenwahl, auch auf den Zustand meines Equipments, das für ein paar Monate eingemottet im Schrank dahinvegetierte.

Na ich hab mein Material jedenfalls zu spät gesichtet und in einem nicht ganz einwandfreien Zustand vorgefunden. Kaum noch gezogene Vorfächer in den Stärken meiner Wahl für ein Gewässer wie die Rur – ein 4X, ein 5X in 9ft, das war es schon an geeigneten Tapered Leaders. Ein kleiner Pitzenbauerring baumelte noch in der Nadel, Nipper verrostet, kaum Tippetmaterial…ich hatte einfach zu viel grobes Zeug gehortet, das auf Lachs und starke Meerforellen für die Faröer gekauft wurde und mich gegen Ende der letzten Saison nicht um Nachschub der Basis für die normale Fischerei bemüht. Bedachtes fischen schien also die Voraussetzung zu werden, wollte ich nicht komplett auf Stephens Material zugreifen müssen. Zumindest war meine Nymphenbox noch gut gefüllt, bei den Temperaturen wollte ich zwar auch ein paar Trockene mitnehmen, aber letztlich nur pro forma, denn ich ging kaum davon aus auf steigende Forellen anzutreffen. Unser Trip war ausgelegt auf zwei Tage intensives Fischen: Start an Karfreitag, Fischen bis zum Umfallen, Schnitzel, Bier, schlafen, Frühstück, Fischen bis zum Umfallen, Schnitzel, Bier, schlafen, Frühstück, Heimfahrt. Und exakt so lief es auch ab. Ein recht präzise getackteter Rhythmus im Verlauf eines typischen Fliegenfischer-Tages, der es durchaus lohnt mehrmals im Jahr zelebriert zu werden.

9:30 Uhr, Ankunft in Monschau. Ein verwunschenes, uraltes deutsches Dörfchen mit wunderschönem Fachwerk empfängt uns bei feinstem Sprühregen. Wir besorgten uns die Tageskarten für die durch das Dorf fliessende Rur in einem Cafe unweit einer Brücke, die einen direkten Blick auf das Flüsschen zuliess. Eine beeindruckende Strecke zeichnete sich ab, Stromschnellen rissen sich durch den Ort, wildes Wasser zerbrach an grossen herausragenden Steinen, kein Ufersaum, stattdessen alte steinerne Fundamente der Fachwerkhäuser links und rechts des Flusses. Wir sind zwar keine Freunde der Stadtfischerei im Allgemeinen, aber das Ambiente dieser Strecke hatte ganz klar was, ich denke die Bilder hier sprechen für sich.

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Nur war es gar nicht mal so leicht einen Einstieg in diese Rur zu finden. Glücklicherweise gabelte Stephen einen fliegenfischenden Einheimischen auf, während ich noch auf dem Parkplatz mit meinen Watklamotten kämpfte. Neben vielen Tipps und Ticks fürs Wasser zeigte er uns auch ein verstecktes Treppchen am Ortsrand, herausgehauen aus einer Mauer aus Schiefergestein. Wir stiegen die Schieferstufen hinab und standen sogleich bis zum Knie in der Rur. Und es zeigte sich sofort, dass das Flüsschen ordentlich Power hat, viel Energie war notwendig um einen sicheren Stand zu halten. Es war toll – endlich wieder im Wasser, die ersten Würfe mit der aufgeknüpften Nymphe fühlten sich einfach herrlich an. Zu lange her, zu viele Monate ohne einen Wurf…und alles war noch da. Ich spürte richtig, wie die Techniken und verschiedenen Würfe, die Bewegungsabläufe von Rute, Rolle, Arm, Schulter sich Step by Step wieder ins Bewusstsein schoben und sich im Laufe der Tages bzw. der zwei Tage wieder aus dem Winterschlaf begaben. Kein Witz, tatsächlich ging ich davon aus dass ich ein paar Sachen verlernt hatte, denn noch bin ich ja ein Anfänger. ;-) Zwar kein völliger Novize, aber immerhin noch Neuling an der Fliegenrute und noch nicht wirklich routiniert. Aber alles war noch da. Zwar klappte der Perfection Loop beim Anbinden des gezogenen Vorfachs erst beim vierten Anlauf, aber groß nachdenken musste ich dabei nicht mehr. Zack zack – bei meinen ersten Trips letztes Jahr war der korrekte Aufbau und die Zusammenstellung des Materials für die Mitnahme ans Wasser noch eine intellektuelle Herausforderung.

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Aber zurück zum Wasser – die Rur hatte ordentlich Druck. Und die physische Beschaffenheit des Grunds erschwerte die Fischerei leider sehr. Denn ein Stein lag vor und über dem Nächsten. Große Steine, glatte Steine, unförmige Steine, Geröllhaufen, Hölzer hier und da, das Waten in dem Fluss war ein echter Alptraum, nicht eine Phase ebenerdigen Grundes lies hier Platz zum ausruhen. Ständig musste der Stand korrigiert werden, der Wasserdruck war zu stark um sich einfach mal umzudrehen, Zentimeterarbeit, ich erwischte mich eigentlich ständig dabei wie ich mich mit meinen Watschuhen Stück für Stück vorantastete, immer auf der Suche nach ein bisschen Halt und damit Entspannung. Denn ein Ufer zum mal ausruhen gab es nicht, schon ein paar Meter flussaufwärts unseres Einstiegs kamen wir in die Fachwerk-Strukturen von Monschau mit links- und rechtssäumigen dicken Mauerwerk als gegebene Grenze des Flusslaufs. Die starke Strömung und die Kraft des Flusses machte eine „normale“ Fischerei auch nicht möglich, die Nymphe wurde im Grunde sofort mitgerissen, wo auch immer man Sie ins Flüsschen warf. Machte aber nix, ich hatte meinen Spaß. Es war viel Arbeit mit Schnur und Fliege, kaum bis keine entspannten Passagen mit gemächlicher Strömung, ständige Achtsamkeit auf sicheren Stand, hohe Konzentration auf alle Faktoren der Fischerei, immer umgeben von meterhohen dicken grauen Mauern, gekrönt von uralten Fachwerk. Die Kulisse dieser Stadtstrecke ist wirklich einmalig und formt in gewisser Weise die Stimmung der Fischerei. Das laute Rauschen des Flusses lies keinerlei Kommunikation zu Stephen zu, der mal 20 Meter vor mir, mal 30 Meter hinter mir war, und umgab einen völlig. Wie so oft beim Fliegenfischen fiel ich zwei, dreimal in eine Art Trance, ich entwickelte ein recht sympathisches Feeling für dieses mittelalterliche Städtchen, das mich mit seinen dicken Mauern zwang im rauschenden Fluss zu bleiben.

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Der akkustische Effekt der Rur-Fischerei lässt sich übrigens super übers TV-Gerät simulieren, einfach mal rosa Rauschen anschalten und auf Maximum TV-Lautstärke ca sechs Stunden laufen lassen. Es regnete ohne Unterlass den ganzen Tag, ich nahm es irgendwann nicht mehr wahr. Nach vielleicht vier bis fünf Stunden zwischen diesen Mauern machte sich dann doch der Körper bemerkbar – sich ein paar Stunden gegen die Strömung zu stemmen kostet einfach sehr viel Energie. Wir fanden den einzig möglichen Ausstieg auf ca 1,5km Flusslauf auf Anhieb, checkten gegen 15 Uhr in unserer Pension ein, fischten noch zwei Stündchen etwas außerhalb der Stadtstrecke und gaben uns dann gegen 17:30 Uhr der Erschöpfung hin. Selten war ich so am Ende. Schnitzel und Bier gaben mir den Rest, ich glaube wir waren gegen halb acht im Bett. Am nächsten Tag war das Wetter besser, die Strecke, diesmal durch die Natur ein paar Kilometer flussabwärts, wies jedoch ähnliche Schwierigkeiten auf wie tags zuvor. Der Wasserstand war zwar etwas gesunken und damit die Strömung in vielen Bereichen erträglicher. Aber auch hier gab es kaum leicht zu befischende Passagen bzw. Stellen, die sprichwörtlich nach Fisch riechen. Immerhin hatte ich ein paar Erfolgserlebnisse und auch keinen Schneidertag – ein Forellchen am ersten Tag, zwei Forellchen am Zweiten – aber mein mäßiger Fangerfolg ist sicherlich der fehlenden Erfahrung für diesen Typ Wasser geschuldet. Und sicherlich auch der Jahreszeit, denn ingesamt war es doch noch recht kalt. Schön war es trotzdem! Und ein besonderes Erlebnis, auch ohne starke Drills und viele Fische, das wir eindeutig dieser Stadtkulisse von Monschau zu verdanken haben.

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