Mann auf Brücke!

Trip an die Murg, Tag 2: Ein großer Fisch

Am nächsten Tag fuhr ich um halb sechs morgens zu einer Strecke, die ich im Mai entdeckt hatte und die mir damals trotz des Dauerregens eine schöne Fischerei und einige anständige Fische bescherte. Besagte Strecke ist relativ lang, sicher zweihundert Meter, nicht allzu tief, gut zu bewaten und in ihrem Verlauf kerzengerade. Ich mag zwar die verruchten Ecken, die unterspülten Ufer und die Abwechslung von Rieselstrecken, tieferen Arealen, Gumpen und Pools, diese Strecke hat aber auch etwas. Sehr breit im Schnitt, lässt Sie einen sowohl das linke wie auch das rechte Ufer mit weiten Würfen befischen. Rechtsseitig in Fließrichtung ist das Ufer gesäumt von Bäumen mit dichtem Blätterdach, deren Äste tief über dem Wasser hängen. Prädestiniert für gute Fische, die in diesen Überhängen hervorragenden Schutz, Schatten und Nahrung finden. Rechtsseitig ist der Grund mit Wasserpflanzen bedeckt, die in grünen Büscheln bis zur Wasseroberfläche reichen, sich meterlang ineinander vereinen und zu einer großen grünen Decke anwachsen, die in der etwas stärkeren Strömung einen dichten Schutz für Äschen und Forellen bietet. Aus der Mitte des Flusses heraus kann man beide Bereiche recht komfortabel abfischen. An diesem frühen Samstag Morgen war so jedoch so gut wie keine Aktivität auf der Wasseroberfläche zu erkennen, so dass ich mein Glück mit Nymphe probierte. Es war eine schöne Fischerei, da der Fluss zu dieser Zeit eine ganz eigene Stimmung hat, die man tagsüber nicht finden wird. Es fühlte sich zwar nach 1,5 Stunden Fischerei wie die Fortsetzung von Tags zuvor an – nicht ein Zubbler an der Fliege, keinerlei sichtbare Aktivität auf dem Wasser und unter Wasser zwei, drei Schatten die an mir vorbeiflitzten – trotz dessen aber ist das frühe Fischen einfach eine besondere Erfahrung, man ist allein mit sich und der Natur. Gegen 7:30 Uhr dann aber das Highlight der Reise. Ich spielte mit dem Gedanken ins Hotel zu fahren um zu frühstücken und wollte noch zwei, drei Würfe mit einer Trockenen zum Abschluss machen. Ich platzierte einen frisch montierten Palmer mit einem guten Wurf in die Nähe eines auf dem Wasser liegenden Astwerks unweit des Ufers. Das Vorfach streckte sich, die Fliege setzte sanft auf dem Wasser auf und kaum war sie dort angekommen, unterbrach ein wirklich beeindruckender Schwall die Ruhe des Morgens. Ein Fisch hatte die Fliege höchst aggressiv genommen. Ich setzte reflexartig den Anschlag und hatte eine große Forelle am Haken, die wie ein Torpedo flussabwärts schoss und mir dabei ihre Flanke zeigte, die ich locker auf Unterarmlänge einschätzte. Dieser starke Fisch riss mir mit seiner sehr vehementen Flucht fast die Rute aus der Hand. Ich sah diesen Fisch davonjagen und konnte ihm absolut nichts entgegensetzen. Die Forelle riss die Rutenspitze in Fluchtrichtung mit, es gab einen Knall und mein Vorfach inklusive Flugschnur schoss mir nach noch nicht einmal 2 Sekunden Drill entgegen. Es ist für mich mit ein paar Tagen Abstand recht klar, wie ich das Geschehene in eine andere Richtung hätte forcieren können. Ich versuchte, die entstandene Spannung auf der Rute zu halten, dem Fisch meinen Radius vorzugeben, ein fataler Fehler. Ein 12er Tippet ist sicher nicht optimal um solch einen Fisch zu handeln, aber mit etwas mehr auf das Verhalten dieses Fisches angepasster Aktion hätte ich sicher eine größere Chance gehabt, diesen Kampf zu meinen Gunsten zu entscheiden bzw. ihn wesentlich länger zu führen. So war es einfach nur unglaublich. Einerseits hatte ich sicherlich den größten und stärksten Fisch meiner bisherigen Fliegenfischer-Karriere an der Leine, andererseits war ich nicht imstande, diesen Fisch auch nur drei Sekunden zu halten. Auch meine zwei französischen Freunde bestätigten mir während dem Frühstück eine Stunde später, dass ein paar Meter ausgelegte Schnur am Mann, kontrolliert ausgegeben, die Flucht sicherlich etwas abgefedert hätte. Wieder was gelernt.

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Ein verlorener Fisch dieses Kalibers ist aber nicht nur frustrierend. Er gab mir auch eine ungemeine Zuversicht für die Fischerei der restlichen Tage, schließlich biss das Tier nachdem eineinhalb Stunden absolut nichts passiert ist. Leider sollte es für mich weiterhin so verlaufen wie in den ersten 1,5 Stunden des Tages, jedoch mit durchaus häufigen Sichtkontakten zu guten Fischen. Wir fuhren direkt nach dem Frühstück zu einer Strecke, die dank einer Brücke und glasklarem Wasser die Sicht auf viele Forellen eröffnete. Wie aber auch schon am Vortag und am morgen ließen sie sich nicht ohne Weiteres überlisten, höchst misstrauisch und nicht in Beisslaune wurden die Fliegen meist ignoriert oder meine Anwesenheit mit gemächlicher Abkehr zu anderen Plätzen quittiert. Und das, obwohl ich größtenteils vom Ufer aus in gehockter Haltung fischte. Ich fing zwei Forellen auf Nymphe und fuhr nach 2-3 Stunden des Fischens zurück ins Hotel, um mich für die Abendrunde etwas auszuruhen. Die war jedoch auch nicht viel angenehmer, die Temperaturen waren viel zu hoch und die Fischerei einfach sehr schwer an diesen heissesten Tagen des Jahres. Dankbar über jeden Schatten, entschloss ich mich etwas Strecke zurückzulegen und den weiteren Verlauf der Murg in diesem Abschnitt kennenzulernen. Hier entdeckte ich eine recht interessante Strömungskante, die mir Hinterkopf geblieben ist und die ich sicherlich noch einmal ausgiebig abfischen werde. Wirklich eine interessante Struktur, an besagter Stelle fällt die Murg in einer kurzen scharfen Kurve quasi senkrecht in der Mitte des Flusses von ca 10cm auf sicherlich 170cm ab. Eine massive Felsformation bildet hier eine harte, massive Wand unter Wasser, die der Erosion wohl standhielt und die Murg über ca 10 Meter Länge in seichteres Wasser führt. Ich liebe einfach solche Entdeckungen. Mitten im Dickicht, unter Sträuchern und haufenweise Geäst und von allen Seiten versteckt, haben diese Plätze eine unwirkliche & magische Ausstrahlung. Da kraxelt man 30 Minuten durchs Geäst und durchs Unterholz und steht plötzlich, tief im Schatten der Bäume, an solch einem Platz, hört außer dem Rauschen des schnellen Wassers keinerlei natürliche Geräusche mehr und staunt über diese Abgründe, die sich da plötzlich auftun. Was hier wohl unter Wasser steht? Es ist ein wenig mit dem Gefühl zu vergleichen, dass einem im offenen Meer schwimmend begegnet. Wenn die Gedanken in die Tiefe fallen und man nicht genau weiss, was sich da unten rumtreibt.

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