Reise zu den Faröer Inseln Teil 3: Fischerei auf Meerforelle, Lachs und Bachforelle
Neben meiner ständigen Konfrontation mit den vorherigen beschriebenen Themen war ich natürlich auch am fischen. Im Grunde fischt man auf den Faröern mit der Fliege entweder in den Fjorden oder in den zahlreich vorhandenen Seen auf Lachs, Meerforellen oder Bachforellen.
Ausgeschlossen sind leider Fließgewässer, die auf den Faröern zwar sporadisch zu finden sind, die man aber aufgrund ihrer Beschaffenheit wirklich vernachlässigen kann. Meist fliesst das Wasser dieser Flüsschen über flache Flußbetten sehr schnell über steiles Gefälle aus den höheren Regionen in den Atlantik ab und legt dabei auch nur sehr kurze Distanzen zurück. Zudem sind ab September jegliche Fließgewässer auch für die Fischerei gesperrt – die Färinger sind sehr darauf bedacht, den aufsteigenden Lachsen eine Chance zum ablaichen zu geben.
Da ich als Neuling auf der Insel erstmal recht wenig Ahnung hatte und mich meist ohne Ansprechpartner vor Ort orientieren musste, gestaltete sich die Fischerei nach dem trial and error-Prinzip. Mobil sein, den Fisch suchen, Strecke machen, Methoden ausprobieren und nicht an einem Ort verharren. Gerade an den Fjorden spielt der Wind und vor allem der Tidenstand eine entscheidene Rolle und hat maßgeblich Einfluss darauf, ob der Fisch direkt an der Küstenlinie steht oder sich weiter draussen aufhält und somit mit der Fliegenrute nicht zu erreichen ist. Zeigt sich keinerlei Aktivität im Wasser, packt man an Besten seinen Kram ins Auto und fährt den nächsten Spot an. Und so kam es, dass ich anfangs recht wild durcheinander mal mit der #5er Rute an einem Bergsee und zwei Stunden später mit der #8er in einer der vielen Buchten fischte. Das sprichwörtlich sehr wechselhafte Wetter der Faröer sorgte hier für so manche Überraschung. Steht man eben noch im Sonnenlicht mitten im fast windstillen Nordatlantik, bläst einem eine Stunde später auf der Nachbarinsel ein heftiger Sturm die Flugschnur um die Ohren. So kann es mal ganz schnell vorkommen, dass die Entscheidung der Verlagerung der Fishing-Location schon mal einen Nachmittag kostet, da die Wege recht lang sind und man sich auf die Gegebenheiten wie Wind und Wetter und die Art des Gewässers jeweils erst vor Ort einstellen kann.
Nach ein paar Tagen hatte ich dann für meine Fischerei einigermaßen den Dreh raus. Wie so oft ist Beobachten das Maß der Dinge – zeigt sich keinerlei Aktivität im Wasser, braucht man gar nicht erst zu fischen. Tatsächlich brachte das Fischen auf Sicht sehr viel mehr Erfolg als das monotone Einstrippen der ins Blaue geworfenen Fliege. Wirklich ungewöhnlich, aber wahr: Sind Fische im zu befischenden Fjord, so sieht man diese meist auch. Die Faröer Meerforellen sind recht springfreudige Fische und bezeugen ihre Anwesenheit durch ständige Sprünge auf der Wasseroberfläche.
Die Einheimischen haben aus dieser Erkenntnis eine recht effiziente Methode entwickelt, zumindest die, die ich in der Bucht von Kaldbaksbotnur auf der Insel Streymoy kennenlernte. Am Ufer stehen und ausharren, sobald ein Fisch springt diesen anwerfen und fangen. Da gab es einen recht aufgeschlossenen und gesprächigen Typen, von seinen Kumpels „the Crusher“ genannt, den ich an dieser Bucht recht oft traf. Der Crusher hat normalerweise immer die Spinnrute im Auto und hält täglich nach Feierabend an der Bucht, um zu sehen ob Fisch da ist. Er war eigentlich der einzige Einheimische mit dem ich ins Gespräch gekommen bin, sieht man von der Frau in der Tankstelle ab, bei der ich täglich meinen Apfel kaufte. Na jedenfalls versorgte er mich immer wieder mit schönen Geschichten, z.B. der des Dänen, der in der Bucht vor ein paar Jahren fast abgesoffen wäre weil er mutig in der Bucht entlang watete und den abrupten Abhang nicht ernst nahm, der sich als klar sichtbare dunkle Kante im Wasser abzeichnet. Da geht es von unter einem Meter Wassertiefe schlagartig auf über 40 Meter runter, zumindest nach den Aussagen des Crushers. „Ein Typ hat den Mann im Wasser gesehen und war zum Glück sofort mit einem Seil zur Stelle, der wäre sonst abgesoffen.“ – dramatische Geschichte. Crusher ist wohl auch Taucher und erzählte mir, dass er einmal an der Kante runtertauchte. Nach knappen 30 Metern hat es ihm jedenfalls gelangt, den Grund hat er nicht gesehen. “Tiefer willst du da nicht“ – die Leute haben durchaus Respekt vor dem Atlantik vor ihrer Haustür. Da es unter Wasser aller Wahrscheinlichkeit nach genauso aussieht wie über Wasser kann ich das absolut nachvollziehen. Überhaupt gibt es tückische Ecken, z.B. zwischen der Hauptinsel Streymoy und der Nachbarinsel Eysturoy. Hier verengt sich der Atlantik auf ca 70 bis 80 Meter. Muss dort wohl extrem fischreich sein, die sichtbare Strömung dieser Meerenge hat mir jedenfalls gereicht um das Fischen dort gar nicht erst zu probieren.
Für den Färinger ist alles unter 70cm Körperlänge kein Fisch, den es zu bejagen lohnt. Zumindest nicht, wenn Großfisch potentiell in der Nähe ist. Aus diesem Grunde fokussierte sich die Fischerei der Einheimischen dieser Tage auf Lachs, da von Ende August bis Mitte September die beste Zeit für Salmo Salar ist. Dieser begehrte Fisch nutzt bei ausreichend Niederschlag die Flüsse, um zum Laichgrund zu gelangen, in dem er auch geboren ist. So ist es kein Wunder, dass an den Süßwasserseen von Leynar und Saksun, beide auf der Insel Streymoy gelegen, sich immer eine große Anzahl an Fliegenfischern einfand, die dem dort begehrten aufsteigenden Lachs nachstellten. Warum die fortpflanzungsgierigen Fische nach der Lachsfliege schnappen, ist übrigens unbekannt, eigentlich nehmen sie in dieser Phase ihres Lebens keine Nahrung mehr auf. Die Einen sagen es ist ein Reflex, Andere gehen von agressiven Verhaltsmustern gegenüber des imitierten Fischchens aus. Wie die Färinger auch, war Stephen jedenfalls sehr heiss darauf, vielleicht mal einen Lachs zu fangen. Wir kauften uns also eine Tageskarte – die einzige Berechtigung die man auf den Faröer Inseln übrigens benötigt ist die für ausgewählte Lachsseen – und fuhren zu Beginn des Tages nach Saksun, später nach Leynar, um uns dort in die Reihen der fliegenfischenden Verrückten einzureihen. Es goss in Strömen, bestes Wetter für die Lachse! Die letzten Wochen kam wohl so gut wie kein Niederschlag runter, so dass die in den Lachstreppen verharrenden Fische quasi über Nacht die Möglichkeit hatten, im Gewässer weiter aufzusteigen und so die Chancen auf einen Lachs gar nicht mal so schlecht standen. Zu beobachten übrigens alles via Livecam, der gewiefte Färinger schaut täglich im Web wieviele Lachse sich in der Lachstreppe aufhalten und sieht über einen Zähler, wieviel Fisch bereits weitergezogen ist. Die moderne Technik ist auch den entlegensten Ecken einfach nicht mehr wegzudenken. Unser Lachsausflug entpuppte sich doch als recht kräftezehrendes Unterfangen. Nicht nur der Regen und die Nässe machte die Fischerei in gewisser Weise anstrengend, vor allem der Wind gab uns den Rest, da mit dem Wind auch das Wasser von allen Seiten auf uns einprasste und das Werfen zu einem echten Wagnis wurde. Meine doppelhakige Lachsfliege schlug einmal mit aller Wucht in mein Gesicht ein, zum Glück hatte ich aufgrund des Regens meine komplette Montur bis Maximum verschlossen, so dass ich das Teil nur in meinen hochgezogenen Kragen verhakte und nicht in meiner rechten Backe. Sowas knallt ganz schön – harter Wind von rechts seitens der Wurfhand ist nicht zu unterschätzen. Letztlich fingen wir leider kein Lachs, der Kampf mit den Elementen war aber auch ein Erlebnis der besonderen Art.
Zurück zum Crusher. Ein Tipp von ihm zum Thema springende Fische lautete „Springt der Fisch gerade aus dem Wasser ist es eine Meerforelle, springt er seitlich ist es ein Lachs, der so seinen Laich abstreift.“. Ich weiss nicht ob seine Interpretation so stimmt, es klang aber plausibel obwohl ich nicht ganz verstand, warum ein Lachs auf die Idee komen sollte, im Fjord abzulaichen. Man sieht jedenfalls einige echt dicke Brocken aus dem Wasser springen. Im Gegensatz zur eher frustrierenden Meerforellen-Fischerei Anfang des Jahres in der Eckernförder Bucht geht es in den Buchten der Faröer Inseln auch wirklich ab, immer vorausgesetzt der Tidenstand und die Windrichtung stimmt. Der legendäre „Fisch der tausend Würfe“ ist die Meerforelle hier sicher nicht. Sind MeFo-Schwärme anwesend, stehen die Chancen nicht schlecht sie auch ans Band zu bekommen. Ich hatte zahlreiche Kontakte, oft auch wütende Attacken und konnte wenigstens zwei Meerforellen fangen. Irgendwas war immer los, wenn auch manchmal nur innerhalb einer kurzen Zeitperiode von 30 bis 40 Minuten. So schnell wie sie kamen, so schnell waren sie auch wieder weg.
Ein kleines Highlight meines Aufenthalts auf den Faröern ereignete sich übrigens beim Meerforellenfischen. Es war bereits Abend, dürfte der zweite oder dritte Tag gewesen sein, die Flut war auf dem Maximum und ich befischte einen kleinen MeFo-Schwarm, der teilweise bis zu meinen Füßen schwamm. Unfassbar, die umkreisten einen wirklich in einem sehr engen Radius und sprangen munter durch die Gegend. Hochkonzentriert befischte ich den Schwarm, probierte völlig abwegige Fliegenmuster nachdem die klassischen MeFo-Fliegen versagten, hatte einige Reaktionen auf eine Royal Wulff und verlor schließlich eine Kleinere im Drill, die sich zuvor auf die Trockenfliege stürzte. An besagtem Abend war der Crusher auch da, er und sein Kumpel standen in bester Spinnfischer-Manier wartend am Wasser und riefen plötzlich zu mir rüber: “Hey behind you! Whales!“. Ahh…Wale. In dem Wasser, in dem ich gerade bis zum Oberschenkel im Wasser stand. Wie gesagt, ein Highlight. Ich drehte mich also langsam Richtung offene Bucht um, suchte erwartungsvoll die Wasseroberfläche ab und sah sie schließlich. Die Buckel einer Walfamilie von vielleicht vier, fünf Tieren durchstießen abwechselnd sehr geschmeidig das Wasser, das im Licht der untergehenden Sonne golden schimmerte. Emotional ein ergreifender Moment, der mich rein visuell an das Cover von „Im Rausch der Tiefe“ erinnerte. Ich stand im Ozean und war plötzlich ein Teil davon, umgeben von Meerforellen-Schwärmen und Walfamilien, die weit draussen in der Bucht den Fischen nachstellten. Herrlich.
Zwanzig Minuten später packte ich meine Sachen zusammen – es wurde eh zu dunkel zum fischen und der Meerforellen-Schwarm war auch von dannen gezogen – fuhr zum Crusher und löcherte ihn mit Fragen zu den Walen. „Das waren Pilot- oder Grindwale. Wenn du die mit dem Blinker in der Nase hakst, kannst du die ganz langsam mit der Angel reinziehen, die verlieren dann ihre Orientierung und wehren sich gar nicht mehr.“ Wie bitte? Es ist einfach unfassbar und für mich als supermarkt-verwöhnten Stadtmenschen nicht ganz zu verstehen, aber tatsächlich wird ein Färinger vermutlich immer versuchen solch einen Wal sogar mit der Angel anzuwerfen, ihn letztlich als Fett- und Nährstoffquelle betrachten. Während ich in meinen Emotionen versank und die Schönheit eines solchen seltenen Moments kaum fassen konnte, fing es beim Crusher wohl an zu rattern, ob er den Wal mit seiner Spinnrute erreichen könne. Ich fragte nach, ob er denn schonmal einen mit der Angel gefangen hätte. „Na sicher“ kam sofort zurück, mich etwas ungläubig anschauend. Und dann? „Mitgenommen natürlich, die sind lecker.“ Ich war echt baff. Klar, sein Wagen war vermutlich groß genug, aber die Vorstellung dass er abends seine Frau mit „Baby, ich habe dir heute was mitgebracht“ begrüßt und dabei auf eine Walfluke zeigt, die aus seiner offenen Transportertür herausragt, erschien mir schon grotesk. Hatte irgendwie was von einem Hägar-Comicstrip.
An dieser Stelle noch ein Wort zu den Essgewohnheiten der Einwohner: Während ich mich sehr rudimentär von der Tankstelle ernährte, ringen die Färinger ihr täglich Brot von der Natur ab. Alles was dieses karge Land hervorbringt wird genutzt und verwertet. Während meiner Anwesenheit auf den Inseln war zum Beispiel gerade Babymöwen-Zeit, recht oft sah ich die noch flugunfähigen, dicken braun-grauen Vögel entweder auf dem Wasser schwimmend oder in der Gegend sitzend. Ebenfalls ein Tipp vom Crusher, nachdem ich ihn nach der Möglichkeit fragte, gegrillte Papageientaucher zu probieren. „Ist gerade keine Saison für Papageientaucher. Probier mal Möwe. Aber riech nicht dran. Riech eh an keinem Essen hier.“. Da ich leider nirgendwo die Möglichkeit hatte, traditionell-einheimisches Essen zu probieren, kann ich dazu leider nichts sagen. Für den Faröer sind die Babymöwen zumindest ein willkommenes Geschenk der Natur, wenn möglich sammeln sie die jungen Möwen ein um ihnen dann zu später Stunde in der heimischen Garage das Gefieder vom Leibe zu fackeln. Auf den ersten Blick leicht verstörend. Aber ich kann es wirklich verstehen. Dieses Land ist so karg und bietet so wenig Möglichkeiten zum Anbau von Gemüse oder Obst, alle Weideflächen sind bereits mit Schafen zu 100% besiedelt. Selbst auf dem abgelegensten kargen Felsen blökt irgendwo ein ausgesetztes Schäflein darauf, da ist kein Platz mehr für Rind, Schwein oder anderes Nutztier. Die Natur mit all ihren Möglichkeiten muss einfach mit in den Speiseplan integriert werden.