Thüringer Forellen
Das Verhältnis von Goethe zu Forellen und dem Fischen im Allgemeinen ist mir nicht bekannt, trotzdessen habe ich mich letztes Wochenende zu einem Kurztripp in Weimar eingefunden um über Pfingsten mein Glück an der Ilm zu versuchen. Im Fokus meiner kleinen Reise stand jedoch der Besuch lieber Freunde in der Kulturstadt Weimar, so dass die Ausflüge mit der Fliegenrute sich als etwas kürzer als üblich entpuppten. Tat der Freude am Wasser jedoch keinen Abbruch, im Gegenteil. Mit etwas weniger Ehrgeiz als sonst im Gepäck und einer Prise Entspannung liess sich die Ilm eigentlich ganz gut angehen.
Startend in Tiefurt entschied ich mich, das kleine Flüsschen flussaufwärts zu erschliessen. Die Ilm zeigte sich sofort als ein typisches Fliegenfischen-Gewässer, das ganz meinen Vorlieben entspricht. Nicht zu starke Strömung die auch eine Trockenfliege bequem dahin treiben lässt, abwechlungsreicher und gut zu bewatender Untergrund, meist eine durchschnittliche Wassertiefe von ca 50-60cm bei Normalpegel, wobei auch richtig tiefe Abschnitte nicht selten sind, leicht bräunliche Eintrübung. Und viele sichtbare Fische.
Auf den ersten Blick erblickte ich zwar meist kleinere Forellen im Wasser, aber in den zwei Tagen in der Ilm sah ich sicher ein gutes Dutzend richtig goße Äschen in meiner Nähe herumschwimmen. Vielleicht ist der vermeintlich gute Äschenbestand auch ein Grund, dass man hier auch eine Thymallus entnehmen kann, fängt man denn Eine. Es blieb mir vergönnt. Ich probierte zwar hier und da ein paar Äschenmuster aus, präsentierte mit Sichtkontakt zum Fisch eigentlich auch ordentlich, aber in den zwei Tagen des Fischens schaffte ich es nicht, auch nur eine Äsche zu überlisten. Würde es ja gern auf die fehlende Fresslust der Fische schieben, aber wer weiss. Denn die paar Äschen, die ich gemächlich im Wasser schwimmen sah, wussten natürlich schon lange vor mir, dass ich mich in ihrer Nähe aufhielt. Sei es drum, auf Äschen war ich eh nicht scharf. Sie sind zwar wunderschön, ich würde Sie aber a) eh nicht mitnehmen wollen und b) sind sie mir auch immer etwas zu feenhaft in Erscheinung und Gehabe. Ich muss bei Äschen immer an die Prinzessin von Burundi denken, ein Buntbarsch aus dem Tanganjikasee (Neolamprologus bricardi). Und alleine dass ich zur Äsche die Assoziation „Prinzessin“ nicht mehr aus meinem Hirn bekomme, lässt ihr eben eine besondere Bedeutung zukommen. Aber zurück zur Ilm – ein kleines Highlight stellte die Sternenbrücke für mich da.
Ich erreichte Sie am ersten Tag gegen halb sechs Abends, nachdem ich mich sicher eine halbe Stunde durch morastigen Grund gekämpft hab und ca eine Stunde kaum zum fischen kam sondern die Zeit eher mit Suchen von Einstiegsmöglichkeiten und interessanten Stellen verbrachte. An der Brücke stiegen jedenfalls ein paar Fische und zeigten sich mit ordentlichen Platschern. Eigentlich wollte ich ja Schluss machen, hatte auch schon drei kleinere Forellchen gefangen, aber die wirklich grandiose Kulisse mit der Sternenbrücke vor mir, untermalt von dramatischen Wolkenformationen und einer plötzlich sehr breiten Ilm liess mich noch eine halbe Stunde herrlich fischen. Zwar ohne Fisch, dafür aber mit reichlich Zuschauern, zeitweise war die Brücke komplett mit Touris bevölkert, die mir zusahen. Mag ich eigentlich nicht, aber aufgrund der tollen Stimmung dort war es mir egal. Die Leute waren auch alle überaus interessiert und sehr entspannt, als ich nach einer halben Stunde des erfolglosen Fischens dort meine Rute langsam abmontierte, rief ein kleiner Junge zu mir runter „nicht aufhören!“, sehr goldig. Am nächsten Tag wollte ich dann an der Brücke starten und mich flussaufwärts durch den Goethepark fischen.
Der Tag begann ganz anders als der vorherige. Diesmal unterbrachen immer wieder kleine Regenschauer das eigentlich gute Wetter, plötzlich aufziehende Winde zeichneten die Wasseroberfläche mal sehr bewegt, mal ruhig. Der Himmel war mal wolkenverhangen, mal sonnendurchflutet, richtig gutes Angelwetter. Ich konzentrierte mich auf das Nymphenfischen und hatte Erfolg, schon nach wenigen Minuten konnte die erste Fario direkt hinter dem ehemaligen Reithaus gelandet werden. Leider gerade so an der Grenze zur Maßigkeit, deswegen setzte ich sie sofort wieder zurück. Nymphe also wieder ins Wasser, schon kam die nächste Attacke. Und ebenfalls war die Bachforelle wieder zu klein. Das ging sicher eine bis eineinhalb Stunden so – entweder ist der Goethepark ein besseres Forellenrevier als die Strecke von Tiefurt bis zur Sternenbrücke, oder ich hatte einfach Glück mit der Beislaune der Fische. Tatsächlich ist die Ilm strukturell in diesen zwei Strecken sehr unterschiedlich, im Goethepark meist flacher und breiter mit einem steinigen Untergrund, so dass ich auf erstere Theorie tippe.
Bei meinem nächsten Besuch werde ich direkt im Park mit dem Fischen beginnen, die Strecke ist einfach sehr abwechslungsreich und zudem von wunderschöner Natur umsäumt. Die Zuschauerdichte nimmt auch flussaufwärts von der Sternenbrücke aus betrachtet kontinuierlich ab, wobei ich den häufigen Andrang am Flussrand aber auch nie als störend wahrnahm. Im Gegenteil, hin- und wieder führte ich auch ganz sympathische Gespräche und zeigte den älteren Damen und Herren mal, wie ihre Ilm durch die Polbrille betrachtet so aussieht. Ei was waren die Leut‘ erstaunt!
Summa Summarum hat mich die Ilm überzeugt, ich werde sie garantiert noch einmal befischen. Allein schon der Streifzug durch den Goethepark bot mir ein wunderschönes Panorama und bescherte mir drei bis vier wirklich schöne Stunden am Wasser.
Zu guter Letzt hab ich dann doch nochmal recherchiert und einen kleinen Hinweis auf Goethes Beziehung zu Fischen gefunden. Besser gesagt ein Gedicht – ich schätze mal, er hätte mich aus seinem Park verjagt.
Der Fischer
Das Wasser rauscht‘, das Wasser schwoll,
ein Fischer saß daran,
sah nach dem Angel ruhevoll,
kühl bis ans Herz hinan.
Und wie er sitzt und wie er lauscht,
teilt sich die Flut empor;
aus dem bewegten Wasser rauscht
ein feuchtes Weib hervor.
Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm:
Was lockst du meine Brut
mit Menschenwitz und Menschenlist
hinauf in Todesglut?
Ach wüßtest du, wie’s Fischlein ist
so wohlig auf dem Grund,
du stiegst herunter, wie du bist,
und würdest erst gesund.
Labt sich die liebe Sonne nicht,
der Mond sich nicht im Meer?
Kehrt wellenatmend ihr Gesicht
nicht doppelt schöner her?
Lockt dich der tiefe Himmel nicht,
das feuchtverklärte Blau?
Lockt dich dein eigen Angesicht
nicht her in ew’gen Tau?
Das Wasser rauscht‘, das Wasser schwoll,
netzt‘ ihm den nackten Fuß
sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll,
wie bei der Liebsten Gruß.
Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;
da war’s um ihn geschehn:
Halb zog sie ihn, halb sank er hin
und ward nicht mehr gesehn.