Reise zu den Faröer Inseln, Teil 4: Meine Sternstunde und Resümee
Neben der Jagd auf Meerforellen machte die Fischerei auf Bachforellen für mich den großen Reiz aus. Ich plante meine tägliche Angelroute immer so, dass mindestens ein See mit auf dem Weg lag, zeitlich eingeplant meist zwischen zwei Tidenmaxima. Seltsamerweise galt auch hier eine ähnliche Regel wie im Atlantik, bei steigenden oder springenden Fischen stieg die Aussicht auf Erfolg doch spürbar. Fischen im Wasser ohne sichtbare Aktivität mit Nymphe, Streamer oder Nassfliege blieb ohne Erfolg, nicht einen Biss hatte ich in Momenten von auffällig stillem Wasser. Obwohl kaum Insekten unterwegs waren, sprang doch meist hier und da ein Fisch oder verriet seine Anwesenheit durch einen klassischen Ring auf dem Wasser. Die Fischerei auf Bachforellen war aufgrund starker Winde aber alles andere als leicht. Da hüpfen die Fische in 10, 12 Meter Entfernung aus dem Wasser und man kriegt die Fliege nicht raus, weil einem der Wind frontal sehr druckvoll entgegen bläst. Es war dann nix zu machen außer auf ein Windloch zu warten oder ans gegenüberliegende Ufer zu wechseln, auch wenn die Seite eines Sees fischereitechnisch immer die interessantere ist, auf die der Wind auflandig bläst.
Ich befischte ingesamt vier Seen auf drei verschiedenen Inseln. Einer der Seen war derartig abgelegen, dass ein halber Tag für An- und Abreise inklusive Wanderung durchs Niemandsland draufging, wohlgemerkt ohne dort zu fischen. Da der See auch auf einer anderen Insel lag als meine vorherige Location konnte ich das dort herrschende Wetter nicht einschätzen, in meinem Angelführer wurde der See jedoch als kleiner Geheimtripp gepriesen und ich musste ihn einfach kennenlernen. Bei Ankunft am Wasser wurde das Tal des zugegeben wunderschön abgelegenen Sees von einem Sturm heimgesucht, so dass das Wasser ans Ufer brandete als sei es der Nordatlantik. Es war mir nicht möglich, die Fliege auch nur ein paar Meter weit aufs Wasser zu befördern. Die große Frustration machte sich in solchen Momenten breit, hatte ich doch viel Zeit und Energie aufgebracht, um das Gewässer zu erreichen, die letzten Kilometer zu Fuß über unwegsame Trampfelpfade entlang steiler Berghänge. Caprona, ein Witz gegenüber diesem Tal.
Ein See jedoch verschaffte mir jedoch noch ein Erlebnis der besonderen Art, und das auch noch während der Phase meines Urlaubs, in der mein Kumpel Stephen mich für drei Tage in meiner Einsamkeit besuchte. Zum Glück, denn sicher hätte er es mir aus der Erzählung heraus nicht abgenommen, was da am Wasser abging. Es war Stephens letzter Tag auf der Insel, am Vortag versuchten wir uns noch erfolglos an einem Lachssee. Wir wollten nun, sozusagen als Abschluss seines Angeltrips, noch ein letztes Mal auf Bachforellen fischen. Ein See auf der Nachbarinsel Eysturoy war unser Ziel, ich fing dort an meinem ersten oder zweiten Tag auf den Inseln meine erste Bachforelle. Das Wetter war nicht ohne, es windete sehr stark und regnete auch durchgängig von allen Seiten. Die ersten zwei Stunden waren recht mühselig, ich fing zwar zwei schöne Bachforellen und hatte ein paar weitere Kontakte, aber wie so oft zuvor machte der Wind eine durchgängige Fischerei nicht möglich. Stephen wechselte irgendwann auf die andere Seite des Sees, ich folgte ihm nach einer knappen dreiviertel Stunde und fischte hier und da interessante Stellen ab. Die Fliege der Wahl war zu dem Zeitpunkt schon ein grüner Wooly Bugger, beide zuvor gefangenen Forellen bissen auf diesen Streamer. Irgendwann stand ich dann bei Stephen, wir hielten einen kurzen Schnack, waren beide schon sehr durchnässt und nach knapp drei Stunden schon etwas demotiviert. Auch er hatte schon ein paar Bachforellen gefangen, aber die Widrigkeiten und doch verhaltenen Bisse drückten etwas auf die Stimmung.
Ich machte mich auf den Rückweg Richtung Auto und lief gerade an einer unscheinbaren Ausbuchtung des Sees entlang, als ich unmittelbar vor mir einen Ring auf dem Wasser wahrnahm. Ich blieb stehen und zögerte. Sollte ich hier nochmal ins Wasser? Lust hatte ich keine mehr, die Motivation nach den letzten sechs meist harten Tagen war einigermassen im Keller. Ich war hin- und hergerissen, auch da ich die Stelle, derart unscheinbar, auf meinem Hinweg komplett übersah bzw. nicht als potentiell interessanten Spot erkannte. Schließlich überzeugte mich ein weiterer Kringel auf dem Wasser und ein sich zeigender Fisch in Ufernähe, doch noch den ein- oder anderen Wurf zu machen. Zum Glück, den wie sich herausstellte, erlebte ich an dieser Stelle eine Sternstunde der Fliegenfischerei die ich, da bin ich mir sehr sicher, in dieser Form nicht mehr erleben werde. Ich stieg also ins Wasser und schon mein erster Wurf brachte Erfolg, eine schöne Bachforelle attackierte den Streamer sehr hart und bescherte mir einen heftigen Drill. Der nächste Wurf brachte auch sofort den nächsten Fisch, mindestens genauso schön und ebenso stark folgte eine weitere Bachforelle. Leicht ungläubig setzte ich also zu Wurf drei an. Und Zack! Wahnsinn, es ging Schlag auf Schlag. Drei Forellen auf drei Würfe, das war mir noch nie passiert. Und die Fische waren allesamt wunderschön. Die Faröer Bachforellen haben einen silbrigen Schimmer und blaugrün fluoreszierende Farbakzente, vor allem im Kopfbereich, so dass man die Fische gern mit voller Bewunderung ins Wasser zurück entlässt. Nach meinen drei Würfen war erstmal kurz Schluss mit dem Run, aber der nächste Fisch ließ nicht lange auf sich warten. Ich machte eine kurze Pause, noch etwas ratlos über das, was da soeben passierte und sah schließlich Stephen, der seinen Platz verlassen hatte und sich auch Richtung Auto bewegte. Nach kurzer Schilderung meiner Erlebnisse gesellte er sich zu mir, die Stelle konnte bequem von zwei Mann befischt werden. Kaum war er im Wasser hatte er auch schon eine Bachforelle an der Leine und während er sie ausdrillte folgte prompt ein Drill an meiner Rute.
Ich weiß nicht wie lange wir dort fischten, sicher insgesamt eine halbe Stunde, vielleicht auch 40 Minuten, aber es ging so weiter und hörte nicht mehr auf. Wir drillten zwei-, dreimal Fische parallel, allesamt gute Fische um die 40cm. Es war schon fast unheimlich, die vorher mühselige und oft frustrierende Fischerei gestaltete sich plötzlich kinderleicht und in einem Umfang, der eher an Forellenpuff als an ein natürliches Gewässer erinnerte. Mitten in unserer Glückssträhne bekamen wir noch Besuch, ein Junge von vielleicht 10-11 Jahren stand da plötzlich in seinen Gummistiefeln keine 20 Meter von uns entfernt und warf seinen Blinker raus. Vermutlich ein Einheimischer aus dem Nachbardorf. Mir war das höchst unangenehm, vermutlich verpassten wir dem Jungen da einen bleibenden Eindruck, denn während wir wirklich viele Forellen hakten, ging der Bub leider leer aus und fing keinen einzigen Fisch. Er schaute immer etwas nervös zu uns seltsamen Fliegenfischern rüber wenn wir mal wieder, manchmal parallel, die Forellen drillten und rannte irgendwann einfach weg. Ich denke er wird seinen Schock bald überwunden haben und sich zu Weihnachten eine Fliegenrute wünschen.
Wenn es am Schönsten ist soll man aufhören, und so entstiegen wir irgendwann, glückselig und durchnässt, dieser wahnsinnigen Stelle. Es erscheint mir in der Nachschau vollkommen abwegig und unwirklich was da passiert ist, die Fische müssen sich an diesem Spot unter Wasser regelrecht gestapelt haben und ließen sich durch die vielen Drills auch nicht von der vermeintlichen Nahrungsaufnahme abhalten bzw. abschrecken. Wooly Bugger habe ich seitdem immer mehrere im Gepäck, das war wirklich ein großartiges, einmaliges Erlebnis.
Mein Fazit zu meiner Reise zu den Faröern: Sicherlich sind die Inseln ein sehr interessantes Ziel für die Fischerei auf wilde Bachforellen und Meerforellen. Ich bin mir allerdings auch sicher, dass ich die Faröer Inseln nicht noch einmal besuchen werde. Und dass, obwohl ich sehr schöne Momente erlebte und die Fischerei auch größtenteils außergewöhnlich war. Zu monoton und karg ist die Landschaft, zu einsam das Leben dort. Ich bin ein Freund von Kommunikation und schätze ein gewisses Treiben um mich herum sehr – zwei Wochen alleine in einer kleinen Bude zu hocken, abends mit mir selbst auf den gefangen Fisch anzustossen und Tankstellen-Food zu konsumieren ist mir einfach zu wenig und für einen längeren Aufenthalt zu unkomfortabel. Ein, zwei Bierchen am Abend in geselliger Runde muss schon möglich sein, vom Steak auf dem Teller mal abgesehen. Dies lässt sich natürlich durch einen Reisepartner oder eine andere Location kompensieren, trotz dessen sind mir die Faröer eine Spur zu schroff und bieten mir fischereitechnisch auch etwas zu wenig Abwechslung. Ich stelle immer wieder fest, dass mich das doch eintönige Einstrippen der Flugschnur an stehenden Gewässern oder auch in den zahlreichen Buchten auf Meerforelle nicht wirklich reizt, da bietet mir die Flussfischerei mit ihren Strömungen, langsamen und schnellen Passagen, tiefen Gumpen und flachen Rieselstrecken einfach mehr. Ich hatte meine schönen Augenblicke, was ich jedoch mitnehme sind vor allem meine Erfahrungen in Sachen Grenzen kennenlernen und eine neue Klarheit darüber, wo ich stehe und welchen Weg ich gehen möchte. Adieu Faröer, Adieu Torshavn!